Hintergrundbild Weidgerechtigkeit

Weidgerechtigkeit – Was soll das sein?

§ 1 des Bundesjagdgesetzes bestimmt den Inhalt des gesamten Jagdrechts. In Absatz 3 heißt es diesbezüglich: „Bei der Ausübung der Jagd sind die allgemein anerkannten Grundsätze deutscher Weidgerechtigkeit zu beachten.“. Wer schwer oder wiederholt gegen diese Grundsätze verstößt, dem kann gem. §§ 17 II Nr. 4, 18 BJagdG der Jagdschein versagt oder sogar entzogen werden. Nicht selten wird ein Verstoß auch als Ordnungswidrigkeit i. S. d. § 39 BJagdG gewertet.1 Aber was soll „Weidgerechtigkeit“ (auch: Waidgerechtigkeit) eigentlich bedeuten?

Was bedeutet Weidgerechtigkeit?

Eine juristische Rückgriffsmöglichkeit findet sich in keinem deutschen Gesetz. Vielmehr handelt es sich um einen historisch-traditionellen, unbestimmten Rechtsbegriff, der vollständig der Verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt.2 Der Begriff der Weidgerechtigkeit soll im Allgemeinen den Schutz der Natur und den Respekt vor dem Tier sichern und mithin die Ausübung der Jagd über die jagdrechtlichen Einzelbestimmungen hinaus regeln. 3 Die wesentlichen Aspekte konkretisieren sich in Tier-, Natur- und Artenschutz, dem Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit, sowie des Eigentums anderer Personen, der Ordnung der Jagd und letztlich der fairen Jagdausübung gegenüber dem Tier.4 Für viele ist dies jedoch nicht konkret genug.

Hirschkuh als Symbol für eine weidgerechte Jagd
Wem dient die Weidgerechtigkeit wirklich? Bildquelle: Pixabay

Die Weidgerechtigkeit und das Bestimmtheitsgebot

Kritiker:innen sehen das Problem gerade in der rechtlichen Unbestimmtheit des Begriffs.5 Dadurch ergebe sich ein willkürlich auslegbarer Interpretationsspielraum, der dem juristischen Bestimmtheitsgrundsatz zuwider sei.6 Der Bestimmtheitsgrundsatz, als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 III GG sieht vor, dass Rechtsfolgen für Bürger:innen klar erkennbar sein müssen. Ist dies nicht der Fall, sind Normen unter Umständen verfassungswidrig. Darüber, ob der Begriff der Weidgerechtigkeit diese Anforderungen erfüllen kann, herrscht in der Rechtswissenschaft seit vielen Jahren ein bis heute ungelöster Streit.

Die Weidgerechtigkeit als vernünftiger Grund

Spannend wird die Thematik der Weidgerechtigkeit auch hinsichtlich der (vor allem unter Jäger:innen) vertretenen Auffassung, dass das Töten eines Tieres im Rahmen der weidgerechten Jagd einen vernünftigen Grund für das Töten eines Tieres i. S. d. § 1 TSchG darstellt.7 Was sich auf den ersten Blick bereits paradox ließt, ist es ebenso. Es bedeutet demnach, dass ein Tier im Sinne des Tierschutzgesetzes grundsätzlich durch Jäger:innen getötet werden darf, wenn die o. g. Grundsätze der Weidgerechtigkeit beachtet werden. Zwar gilt dies selbstverständlich nicht vorbehaltslos, da das Jagdrecht durch sich selbst und andere Gesetze weiter reguliert wird, jedoch wäre die Folge dieser Auffassung, dass das Töten eines Tieres (im Rahmen der Jagd), ein vernünftiger Grund für das töten eines Tieres ist. Dabei sollten die Anforderungen hierfür wohl höher liegen. Befürworter dieser Argumentation würden nunmehr anbringen, dass die Weidgerechtigkeit unter Anderem die Hege eines gesunden Tierbestandes umfasst und eben diese im entsprechenden Falle den vernünftigen Grund darstellen würde. Entgegenzusetzen ist jedoch, dass die Jagd nicht immer im Sinne der Hege, sondern oftmals lediglich als Sport zum Vergnügen ausgeübt wird. Sofern gerade die Hege den Grund für die Tötung darstellt, sollte dies auch deutlich benannt werden, um rechtliche Klarheit zu gewinnen. Das Bestimmtheitsproblem hinsichtlich der Weidgerechtigkeit wird hier anschaulich deutlich.

Fazit und Ausblick

Der Begriff der Weidgerechtigkeit ist ein sehr alter. Bereits 1934 fand er sich im deutschen Reichsjagdgesetz. Und ähnlich verstaubt handhabt er sich in der Praxis. Er lässt sich hinsichtlich seines Auslegungsbedürfnisses mit der zivilrechtlichen Sittenwidrigkeit vergleichen. Jedoch hat diese sich durch Rechtsprechung und rechtsdogmatische Entwicklung zu einem handhabbaren Rechtsbegriff entwickelt. Dies fehlt dem Begriff der Weidgerechtigkeit weitgehend. Es braucht eine klare juristische Definition oder aber vermehrte Rechtsprechung auf die zurückgegriffen und so eine gerade Linie in der Anwendung des Jagdrechts geschaffen werden kann.

Weidgerechtigkeit Fuchs
Ohne klare Definition bleibt die Weidgerechtigkeit ein alter Begriff – mit neuen Opfern. Bildquelle: Pixabay

  1. Vgl. Erbs et al., 255. EL Januar 2025, BJagdG § 1 Rn. 18. ↩︎
  2. Vgl. Erbs et al., 255. EL Januar 2025, BJagdG § 1 Rn. 15. ↩︎
  3. Vgl. Schuck/Heider, 4. Aufl. 2024, BJagdG § 1 Rn. 65. ↩︎
  4. Vgl. Erbs et al., 255. EL Januar 2025, BJagdG § 1 Rn. 17. ↩︎
  5. PETA Deutschland e. V., Jagd – Pro & Contra, online verfügbar unter: https://www.peta.de/themen/jagd-pro-contra/ (zuletzt abgerufen am 16.05.2025). ↩︎
  6. Wildtierschutz Deutschland e. V., Waidgerechtigkeit – nur ein Mythos?, online verfügbar unter: https://www.wildtierschutz-deutschland.de/single-post/waidgerechtigkeit (zuletzt abgerufen am 16.05.2025). ↩︎
  7. Deutscher Jagdverband, Jagdrecht in Deutschland, online verfügbar unter: https://www.jagdverband.de/rund-um-die-jagd/rechtslage/jagdrecht-deutschland (zuletzt abgerufen am 16.05.2025). ↩︎
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